Was genau meint eigentlich „Stoffstrommanagement“? Laien denken bei dem Wort wahrscheinlich einfach an Abfallentsorgung. Doch tatsächlich verbirgt sich hinter dem Fachbegriff ein anspruchsvolles Zusammenspiel aus Marktkenntnis, Logistikkompetenz und Sattelfestigkeit in aktueller Umweltgesetzgebung. „Wir zerlegen Kühlgeräte, holen wertvolle Materialien heraus und suchen für jede Fraktion einen passenden Verwertungspfad“, erklärt Marc Rebiewski, der bei Rekular das Stoffstrommanagement und in Personalunion die Betriebsstätte Wangerland leitet. Die so gewonnenen Sekundärrohstoffe gehen zum Beispiel an Hüttenwerke oder auch an spezialisierte Weiterverarbeiter von Kunststoffen in ganz Europa.
Werthaltige und problematische Materialien
Was sich simpel anhört, verlangt viel Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein. Schließlich müssen im Zuge der Demontage auch herausfordernde Anteile wie Isolationsmaterialien oder Kältemittel sicher entsorgt werden. Im Mittelpunkt stehen allerdings die wiederverwertbaren Stoffe. Als Marc 2008 bei Rekular als Betriebsleiter einstieg, organisierte jeder Standort seine Materialverkäufe noch in Eigenregie. „Es gab keine einheitlichen Preise, keine Bündelung. Das war ineffizient“, erinnert er sich. Rekular begann daher, ein zentral geführtes Stoffstrommanagement aufzubauen. 2012 übernahm der Diplom-Kaufmann (FH) diese Aufgabe und verhandelte fortan auch mit Partnern in Schweden, Italien und anderen europäischen Ländern.
Politik- und Technikfortschritte verändern das Geschäft
Die Bedingungen des Kühlgeräterecyclings haben sich im Laufe der Zeit enorm verändert. Noch vor einigen Jahrzehnten landeten alte Elektrogeräte auf Müllhalden. Heute ist das undenkbar. EU-Vorgaben, insbesondere das ElektroG für Elektro- und Elektronikaltgeräte, das in Deutschland seit 2005 gilt, haben den Wandel vorangetrieben. „Wir achten viel stärker auf Reinheit, Trennbarkeit und Nachvollziehbarkeit als noch vor 20 Jahren.“ Und auch das Bewusstsein der Industrie habe sich weiterentwickelt. „Recycling ist heute ein echter Beschaffungsmarkt für Rohstoffe“, weiß Marc.
Wichtige Innovationsschritte ebneten dafür den Weg. 2016 etwa wurde bei der sensorbasierten Sortierung ein technologischer Meilenstein erreicht: Erstmals ließen sich dank einer neuartigen Infraroterkennung auch schwarze Kunststoffe präzise nach Polymerarten wie PE und PP trennen. Das führte nicht nur im Verpackungs- und Automobilsektor, sondern auch bei Elektroaltgeräten zu deutlich verbesserten Recyclingquoten.
Im Sog des Weltgeschehens
Auch internationale Ereignisse wirken sich auf das Geschäft mit den Stoffströmen aus. So löste die Weltfinanzkrise der Jahre 2007 und 2008 aufgrund zahlreicher Unternehmenspleiten einen riesigen Preisverfall bei recycelten Rohstoffen aus. „Wer damals seine Lager voll hatte, stand plötzlich vor echten Problemen“, erzählt Marc.
Für ähnliche Verwerfungen sorgte der von China 2018 verhängte Importstopp für viele Abfallarten, darunter auch Kunststoffsorten. Materialien, die bis dahin nach Asien verschifft wurden, liefen plötzlich in Europa auf Halde. „Seitdem ist bei uns das vorausschauende Vermarkten noch wichtiger geworden. Lagerbestände halten wir immer möglichst gering“, sagt Rekulars leitender Stoffstrommanager.
Vernetzt mit Herstellern und Behörden
Dass der Fluss von Stoffströmen heute trotz mancher Erschütterungen im Markt gut und effizient funktioniert, liegt auch am engen Austausch mit den Herstellern. „Wir geben Rückmeldungen, wo es bei der Wiederaufbereitung hakt – etwa bei schwer trennbaren Verbundmaterialien“, so Marc. In einem Verbandskreis kommen Produzenten, Recycler und Behörden regelmäßig zusammen, um sich zu aktuellen Entwicklungen und Anforderungen zu besprechen.
Wie alle Unternehmen der Branche muss Rekular sich mit strengen Genehmigungs- und Notifizierungsverfahren auseinandersetzen, besonders wenn Stoffe grenzüberschreitend transportiert werden. Marc: „Die Behörden prüfen genau, wo die Materialien hin sollen, wie rein sie sind und ob die empfangende Anlage dafür zugelassen ist.“ Da kann Bürokratie schon mal zum Reizwort werden.
Zukunftsträchtiges Arbeitsfeld
Stoffgruppen wie Batterien aus Elektroautos werden künftig Teil der Stoffströme sein. Rekular bereitet sich darauf vor. „Wir sehen uns hier als Dienstleister zur Vorbereitung für die weitere mechanische Bearbeitung“, sagt Marc, der als Betriebsleiter Wangerland auch für das dortige Batteriecenter zuständig ist. Egal, ob angestammtes Geschäft oder neue Markfelder: Eine Sorge begleitet ihn: „Wenn die Energiekosten in Deutschland weiter so hoch bleiben, dass Unternehmen ihre Produktionsprozesse immer mehr ins Ausland verlagern, wird das auch uns als Recycler irgendwann treffen.“ Der Fachkräftemangel ist ebenfalls eine Herausforderung. „Wir könnten noch mehr aus dem Markt herausholen, wenn wir mehr Leute hätten“, räumt Marc ein.
Dennoch wird sich das Arbeitsfeld behaupten und fortentwickeln. Schon heute ist Stoffstrommanagement viel mehr als nur das Abverkaufen von Recyclingmaterial. Es besteht aus Koordination, Marktbeobachtung und Mitgestaltung einer Kreislaufwirtschaft, die ökologisch und ökonomisch geboten ist. „Denn Ressourcen bleiben nun mal ein knappes Gut“, so Marc.